Mobile Flugabwehr: Endverhandlungen zum Skyranger

Ein neuer Flakpanzer ist als wesentlicher Teil einer ertüchtigten mobilen Heeresflugabwehr der Bundeswehr geplant. Mit ihm sollen vor allem Massen kleiner Drohnen abgewehrt werden. Vorgesehen ist dafür das Modell Skyranger des Rüstungskonzerns Rheinmetall auf Basis des Radpanzers Boxer. Nun sind die Endverhandlungen zwischen Wehrkonzern und Beschaffungsamt angelaufen.

Dabei geht es um zwei Verträge. Einmal ist eine Sofortbeschaffung des Skyrangers vorgesehen. Ein Prototyp nebst 18 Folgefahrzeugen. So soll für das Heer eine Drohnenabwehr für Einsatzverbände kommen. Bei einem zweiten Vertrag geht es darum, den Skyranger in größerer Anzahl für das geplante „Luftverteidigungssystem Nah- und Nächstbereichsschutz (NNbS)“ zu beschaffen, dass bis Ende der Dekade umgesetzt werden soll. Zu diesem gehören noch IRIS-T SLM und ein neuer FlaRakpanzer.

Eine Anfangsbefähigung zur Drohnen-Abwehr sollte schon Deutschlands VJTF in diesem Jahr erhalten. Ab 2020 wurde dafür das Projekt „qualifizierte Fliegerabwehr“ beim  Jägerbataillon 292 gestartet. Jenes sollte dafür einen Zug aus 70 Soldaten vorbereiten und trainieren – mit circa zehn Boxern, ausgerüstet mit einer Granatmaschinenwaffe des norwegischen Herstellers Kongsberg. Doch inzwischen wurde das Vorhaben wohl eingestellt. Ein Sprecher des Jägerbataillons 292 gegenüber dem Autor: „Das Jägerbataillon 292 ist derzeit nicht mehr mit der qualifizierten Fliegerabwehr im Rahmen von VJTF beauftragt.“ Das Heer will sich dazu auf Anfrage aus „operativen Gründen nicht äußern“, so ein Sprecher.

Rheinmetall hofft auf einen Vertragsabschluss zum Skyranger mit Parlamentsfreigabe zum Jahresende, so Knud Michelson, der Vertriebsleiter bodengebundene Luftverteidigung bei Rheinmetall, im Gespräch mit dem Autor. Eine Sofortbeschaffung Skyranger wäre allerdings kein asap Lückenschließer für die fehlende Drohnenabwehr. Ein erster Skyranger-Prototyp ist bis Ende Oktober 2024 von der Bundeswehr gewünscht. Dann ging es in die Qualifikation. Ein erstes Serienmuster ist für November 2025 geplant. Würden dann 18 Skyranger in Serie gehen, bräuchten diese auch eine Übergangslösung, damit sie sich in das System Integrierter Luftverteidigung der NATO (NATINAMDS) einbinden lassen; ansonsten sind sie für NATO-Koalitionsstreitmacht Bundeswehr nicht operabel. Rheinmetall meint, dies mittels JREAP-C Protokoll und dem etablierten Daten-Link 16 über das bestehende leichte Flugabwehrsystem, um den Ozelot bewerkstelligen zu können.

Nach den Folgewünschen des Beschaffungsamtes käme zwischenzeitlich ein zweites Serienmuster des Skyrangers, erläutert Michelson. Auf dessen Basis kann dann ab 2027 die Skyranger-Endversion für NNbS der Bundeswehr zulaufen. Die 1. Serie der Sofortbeschaffung würde voraussichtlich nachgerüstet. Die letztliche NNbS-Anzahl des Skyrangers ist noch offen. Im vergangenen Jahr galt laut Oberstleutnant i. G. Manfred Stangl, Referent für Flugabwehr im Kommando Luftwaffe, folgende Zielplanung: NNbS als Ganzes soll genügend Staffeln umfassen, um acht Brigaden ins Gefecht begleiten zu können. Vorgesehen sind zudem Staffeln zum Schutz von allen drei Heeresdivisionen und einem Korps. Dazu soll es noch Staffeln geben, um im Einsatzgebiet mindestes zwei Flugplätze sichern zu können. Mit Blick auf die European Sky Shield Initiative (ESSI) stellt sich nun auch die Frage nach weiteren (mobilen) Flugabwehrsystemen zum Schutz von Hochwertsystemen wie Arrow 3.

Die von Rheinmetall offerierte NNbS-Einstiegsversion des Skyranger hat eine 30-mm-Oerlikon-Revolverkanone plus einen Launcher für 4 Stinger-Raketen. Die Raketen sollen vor allem größere Drohnen auf der Entfernung von circa fünf Kilometern abfangen. Die Kanone übernimmt den Nahbereich ab 300 bis 3000 Metern. Knud Michelson: „Der wesentliche Vorteil des Skyranger 30 liegt im deutlich geringeren Bauvolumen der 30-mm-Kanone gegenüber der 35-mm. Dadurch ist Platz für die Integration der Flugkörper im Turm. Der Unterschied im Munitionsvorrat ist nicht so gravierend, 300 Schuss beim 30-mm-Turm gegenüber 252 Schuss beim 35-mm-Turm.“ Der Skyranger kann die gleiche Munition nutzen wie der Schützenpanzer Puma, was die Munitionslogistik vereinfacht. Der Puma selbst sei mit seiner Kanone samt Sensorik und Zielverfolgung zur Abwehr von Massen kleiner Drohnen zu träge. Vor allem sei die Mündungsgeschwindigkeit und Kadenz der Puma-Kanone zu niedrig, um rasch genug Air-Burst-Munition in die Luft zu pumpen, laut Rheinmetalls Flugabwehr-Fachmann Michelson.

Die US-amerikanische Stinger-Rakete wiederum ist nur eine Einstiegslösung, da Hersteller Raytheon deren Launcher nicht mehr produziert. Die US-Firma bereitet zurzeit die Herstellung des Stinger-Nachfolgers vor, den die US-Army für ihre erneuerte mobile Flugabwehr im Nahbereich verlangt. Die Rüstung des Skyrangers mit Stinger soll gelingen, indem 2er-Launcher aus der Umlaufreserve des Kampfhubschraubers Tiger genommen und gekoppelt werden, erläutert Michelson. Ob es möglich wäre, dem Skyranger neben zusätzlicher Munition auch eine Raketen-Reserve mitzugeben, wird untersucht. Die Munitionskästen der Kanone und die Raketen-Launcher des Skyrangers müssen per Hand geladen werden.

Weitet man den Blick von Deutschland nach Europa, zeigt die Skyranger-Rüstung, dass die Europäer trotz Ukraine-Krieges unfähig bleiben, sich sinnvoll zu Rüsten. So beschaffen die Niederländer parallel zu Deutschland ein gänzlich anderes mobiles Flugabwehr samt Führungssystem – obwohl beide Länder vereinbart haben, dass niederländische Heer vollständig in das deutsche zu integrieren. Zudem siedeln die Niederländer ihre mobile Flugabwehr beim Heer an. Die Deutschen lassen sie zweigeteilt zwischen Heer und Luftwaffe. Im Osten will Ungarn den Skyranger, sogar das deutsche Führungssystem. Allerdings möchte es keine Rad-Variante, sondern den Skyrangerturm auf dem Chassis seines Ketten-Schützenpanzers Lynx. Im Norden setzt auch Dänemark auf den Rad-Skyranger, aber nicht auf dem Boxer, sondern dem Radpanzer Piranha, wiederum mit eigenem Führungssystem. Die Beispiele zeigen: Kleine und zudem spezialisierte Serien bestimmen den europaweiten Wiederaufbau der wichtigen Waffengattung Flugabwehr. Schlagkräftiger Großverbände der NATO/EU-Europäer gelingen so nicht.