
Deckblatt der Reformstrategie zur US-Rüstung, die das Pentagon am 10. November 2025 erließ.
In den Vereinigten Staaten und Deutschland sollen durchgreifende Reformen der Rüstung kommen. Das Pentagon erließ soeben eine neue Rüstungsstrategie namens „Acquisition Transformation Strategy“. Auf der jüngsten Bundeswehrtagung kündigte Verteidigungsminister Boris Pistorius Rüstungsreformen an – Beschaffungsplanung und Beschaffungsamt sollen erneuert werden. Für die Behörde soll bis Ostern nächsten Jahres ein Plan vorliegen. Ob das auch für den Planungsprozess gilt, ist noch unklar. „Die konkrete inhaltliche und zeitliche Ausgestaltung sind Gegenstand der laufenden Planungen und Abstimmungen“, so eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums gegenüber dem Autor. Das jetzige Planungsverfahren „Projektbezogene Bedarfsdeckung und Nutzung“ (PBN) wurde erst 2024 eingeführt (Den vorherigen Prozess Customer Product Management CPM gab es seit 2001).
Rüstungsreformen in den USA und Deutschland mit gleichen Zielen
Die US-Amerikanische wie die deutsche Reformambition postulieren dieselbe Stoßrichtung: innovatives und schnelles Rüsten. Pistorius sprach in seiner Rede davon, dass die kommende Rüstungsplanung „Innovation und Beschleunigung“ vereint. In den künftigen Wehretats werde der Anteil für Forschung und Entwicklung signifikant erhöht. Ein neu aufgestelltes Beschaffungsamt solle vorallem „hohe Auftragszahlen“ besser bewältigen. Die drei Hauptziele der neuen US-Beschaffungsstratgie: 1. „Field technology and modernize sytems at a rate that outpaces our adversaries.“ 2. Increase production capacity and deliver wartime surge. (…). 3. Put the entire aquisition system and the industrial base on a wartime footing (…). Ein traditioneller Unterschied zeigte sich auch. Pistorius betonte, dass die Rüstungsreform europäische Beschaffung nach gemeinsamen Standards erleichtern soll. In der neuen US-Strategie geht es lediglich darum, den Abverkauf von US-Standards an die Alliierten zu optimieren.
Heikel in Deutschland: Die Reform des Beschaffungsamts
Wie heikel ein Umbau des Beschaffungsamts aus Sicht des Wehrressorts ist, zeigte sich daran, dass Pistorius vor Ankündigung der Reform eine Lobeshymne an das Beschaffungsamt setzte. Das habe die Masse an Rüstungsaufträgen der Zeitenwende bis dato bestens bewältigt – „Alles aus einer Struktur heraus, die nie dafür aufgestellt war.“ Pistorius ging es in seiner Rede sichtlich darum, jeden Eindruck zu zerstreuen, eine Reform der Behörde ginge mit deren Zerschlagung oder Schwächung einher. Das Beschaffungsamt als Arbeitsmuskel der Rüstung ist essenziell für Pistorius, damit er sich als Wehrminister der Zeitenwende behaupten kann. Frustration und Blockaden durch Großreformen wären da gefährlich. Die Regierungspartei CSU macht sich seit Jahren stark dafür, für Großprojekte wie FCAS eigene Rüstungsagenturen zu schaffen, die fokussiert das jeweilige Vorhaben betreuen und damit besser steuern sollen. Im Koalitionsvertrag findet sich dieses Ansinnen verklausuliert in der Formulierung: „Für einzelne Großprojekte, aber auch für
Zukunftstechnologiebereiche, die einer hohen Innovationsdynamik unterliegen, werden wir neue Realisierungswege implementieren.“ Der neu geschaffene Beraterkreis für Rüstung im Wirtschaftsministerium um den Ökonomen Moritz Schularick will für innovative Waffentechnologien ebenfalls eine eigene Agentur gründen. Diese solle „frei von Standard-Beschaffungsregeln“ agieren, wie es in einem Strategiepapier des Beraterkreises heißt. Folgt man Pistorius Rede, läuft die Reform des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) eher auf inkrementelle Reformen und einen Ausbau bestehender Strukturen hinaus. Pistorius sprach von einer „Reorganisation“ der Struktur des BAAIN, nicht von einer Neutstrukturierung. Dazu gehöre „explizit die Erschließung neuer Standorte, neben dem Koblenzer Hauptsitz.“
Wichtig in den USA: Die Dominanz der großen Wehrkonzerne verringern
Die neue „Acquisition Transformation Strategy“ des US-Verteidigungsministeriums ist wiederum ein Rahmendokument, dessen Umsetzung jetzt in den Behörden des „Kriegsministeriums“ ausgearbeitet werden muss. Zudem sind die Industrie und der Kongress als mächtige Blockadespieler zu beteiligen. Auffälligkeiten der Strategie bei einem ersten Sichten: Die Fokussierung der Wehrindustrie auf fünf Großkonzerne um Lockheed Martin, die so genannten „Primer“, wird als strategische Schwäche bezeichnet. Dieses Oligopol habe zu einer Stagnation der Rüstung geführt, mit dürftiger Innovation und zu wenig Masse. Nun soll die rüstungsindustrielle Basis durch neue Unternehmen erweitert werden, um schneller Waffensysteme in größeren Stückzahlen zu beschaffen. Dazu soll es mehr Wettbewerbe und Tests geben, um neue Firmen an die Rüstungsbasis anzudocken. Fragwürdig wirkt der Ansatz, die Beschaffung möglichst vieler Ausrüstung nicht über Systemintegratoren zu handhaben, sondern selbst zu beschaffen, um Kosten zu sparen. Hier droht die Gefahr der Verzettelung. Ein Trend in allen westlichen Armeen ist der Ansatz, über langfristige Verträge mit größeren Abnahmevolumen zu rüsten, um kosteneffizienter zu sein und Reserven aufzubauen. Ähnliche Ambitionen sind in der Vergangenheit aber stets an Umplanunges des Verteidigungsetas im Haushaltsverfahren des Kongresses gescheitert. Ein Ansinnen, das seit langen Jahren auch die Bundeswehr-Rüstung begleitet, ist die Orientierung an raschen „80-Prozent-Lösungen“. Im US-Rüstprozess sollen verfügbare Produkte der Industrie den Lead bekommen, nicht mehr eine umfassende Erfüllung der Bedarfsanforderungen der Streitkräfte. Wie genau das umgesetzt werden soll, bleibt nebulös. Statt Zertifizierungen sollen künftig „erfolgreiche Demonstrationen“ zum Eichmaß werden.
Ein Problem taucht auf: Rasche Rüstung treibt die Kosten
Klar ist: Schnelligkeit zum Lead-Faktor der Rüstung zu machen – Trend bei den Westmächten – kommt mit einem Preis. Vor Kurzem lud der Wirtschaftsausschuss des Bundestages Sachverständige zur Anhörung zum geplanten weiteren Beschleunigungsgesetz für die Rüstung der Bundeswehr. Professor Michael Eßig, Rüstungsfachmann der Universität der Bundeswehr München, wies darauf hin, dass die Zahl der Bieter pro Vergabeverfahren sich bereits durch die bisherigen Beschleunigungsmaßnahmen stark verringert hat. 41,8 Prozent aller Verfahren enden mit einem Angebot. Dieser geringe Wettbewerb lasse die Preise steigen.
(Hier noch Eßigs Stellungnahme als Sicherungskopie. Wer sich für die strukturellen Probleme der US-Rüstung interessiert: Hierzu erschien vor Kurzem mit „Stuck in the Cul-de-Sac“ eine informative Studie des Center for a New American Security.)



