Äthiopien: vorerst keine Bundeswehr-Ausstattungshilfe

Äthiopische Soldaten beim Training auf der Basis Hurso 2007 - Foto: National Archive / U.S. Navy photo by Chief Mass Communication Specialist Eric A. Clement

Äthiopische Soldaten beim Training auf der Basis Hurso 2007 – Foto: National Archive / U.S. Navy photo by Chief Mass Communication Specialist Eric A. Clement

Äthiopiens Streitkräfte sind für das Ausstattungshilfeprogramm (AH-P) der Bundeswehr vorgesehen – im Projektzyklus 2021 bis 2024. Trotz des seit November 2020 eskalierenden Bürgerkriegs um die Nordregion Tigray zwischen Zentralregierung und der dortigen Volksbefreiungsfront mit zahlreichen Kriegsverbrechen beider Seiten wie Massenvergewaltigungen. Noch im Februar hieß es auf Anfrage vom Verteidigungsministerium, Äthiopien sei Teil des AH-P.

Inzwischen wird auf eine Teilnahme Äthiopiens am Programm verzichtet; zumindest vorerst. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums: „Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen in Äthiopien haben sich die beteiligten Ressorts auf ein lageangepasstes Vorgehen verständigt. Die AH-P Projekte für den Programmzeitraum 2021 bis 2024 wurden bisher noch nicht begonnen. Ein dafür erforderliches Abkommen wurde bislang nicht geschlossen.“

Über das Ausstattungshilfeprogramm ertüchtigt Deutschland afrikanische Armeen für Peacekeeping-Einsätze. Die politische Steuerung des AH-P liegt beim Auswärtige Amt. Durchgeführt wird es vom Verteidigungsministerium. Die Idee des AH-P: Streitkräfte zu fördern, in denen Deutschland das Potenzial sieht, dass sie für regionale Sicherheit in Afrika sorgen können. Der Fokus liegt somit auf als stabil geltenden Ländern mit leistungsfähigen Streitkräften im afrikanischen Vergleich. Erste Voraussetzung sind „ausreichend funktionierende Organisationsstrukturen in den Streitkräften“, so ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Hinzu kommen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie die Achtung der Menschenrechte. Die Anwendung dieser Kriterien unterliegt der politischen Abwägung der Bundesregierung. Das AH-P läuft über vierjährige Projekte. Die Teilnehmer des angelaufenen Zyklus wurden 2019 zusammengestellt. Neben Äthiopien sind dies Burkina Faso, Ghana, Mali, Namibia, Nigeria, Senegal und Tansania. 

Die AH-P Ertüchtigung ist dabei keine originär militärische. Waffen und Munition sind nicht Teil der Hilfen. Gängige Ausstattungsgüter sind Werkzeuge, Zelte, Fahrzeuge und medizinisches Gerät, so das Verteidigungsministerium. Üblich ist gebrauchtes Material, welches die Bundeswehr nicht mehr selbst benötigt. Ergänzend gibt es Maßnahmen, die dafür sorgen sollen, dass die Materialhilfe nachhaltig wirkt. Mit dem Bau von Infrastruktur sowie Beratung und Ausbildung durch Bundeswehr-Soldaten. Die Projektbereiche sind: Sanität, das Pionierwesen, Instandsetzung und Logistik sowie Führungsfähigkeit bei Friedensmissionen. In Äthiopien sollte eigentlich das Peacekeeping-Trainingszentrum der Armee in Hurso aufgewertet werden. Die Angaben des Wehrressorts dazu sind vage. „Es geht um technische Hilfe, Baumaßnahmen und Ausbildung“, so ein Ministeriumssprecher. Äthiopien war bereits im vorletzten AH-P Zyklus bis 2016. Damals förderte die Bundeswehr den Ausbau des technischen Militär-Kollegs in Holeta. Soldaten sollen dort auch zivilberuflich geschult werden; für ihre Zeit nach der Armee. Das soll dem Land helfen, seine Armee zu verkleinern und zu professionalisieren, ohne das Unruhe in  der Truppe entsteht.

Das Konzept ist anfällig. Eigentlich hat Deutschland den Anspruch, Länder über mehrere Zyklen im AH-P zu halten, um die Wirkung der Hilfen zu verstetigen. Oft schließen an Projekte, Nachsorgemaßnahmen an. So ist Äthiopien für AH-P Vorhaben von 2016 in der Nachsorge. Das bedeutet beispielsweise, dass bei mit AH-P Mitteln gebauten Werkstätten nun auch die Energieversorgung erneuert wird. Bei der Aufstellung der aktuellen AH-P Partnerländer verschwand bereits Kamerun wieder von der Liste. Dort hat sich ein brutaler Bürgerkrieg zwischen Zentralregierung und Separatisten im Westteil des Landes entwickelt. Nun trifft es Äthiopien. Dabei versteht sich dieser Staat als historische Ordnungsmacht in der Region. Für die Afrikanische Union (AU) baut Addis Abeba eine Eingreiftruppe auf, mit der die AU für mehr Stabilität in Ostafrika zu sorgen hofft; beispielsweise in Somalia. Dort intervenierte Äthiopien bereits 2006 gegen die radikal-islamische Al-Shabaab Miliz; mit Rückendeckung der Vereinigten Staaten. Im Westen wurde Äthiopien bis vor Kurzem als vermeintlicher Stabilitätsanker am Horn von Afrika hofiert. Inzwischen drohen innerstaatliche Konflikte den multi-ethnischen Staat selbst zu zerreißen.