Strategie für Arme

Es ist fast schon ein Naturgesetz der NATO: ohne die Amerikaner geht nichts. Aber eben nur fast; denn jetzt ist es mal umgekehrt. Das United States Marines Corps (USMC) sucht mit der „Allied Maritime Basing Initiative“ die Hilfe der Europäer, um seinen neuen Einsatzplan für den MENA-Region (Fehlinterpretation meinerseits, korrigiert) Großraum Europa / Afrika umzusetzen.

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Interventionsflügler – Marines boarden einen „MV-22 Osprey“ auf der USS New York, einem amphibischen Transportschiff der US-Navy – Foto: Corey Lewis / CC-Lizenz / Flickr

Der Plan sieht vor, die Marines vor allem in Afrika sehr schnell zum Einsatz zu bringen. So wollen die Amerikaner Krisen am unteren Spektrum, wie Piratenangriffe oder bedrohte Botschaften, besser handeln können. Auslöser dafür war die Ermorderung des US-Botschafters für Libyen 2012, bei einer Blitzattacke islamistischer Milizen in Bengasi.

Idealerweise hätten die Marines gerne ein Netz aus kleineren Eingreiftrupps, verteilt auf amphibischen Schiffeinheiten im Mittelmeer, also eine Art ständige Off-shore Präsenz zum schnellen Zuschlagen bei Bedarf. Doch Landungs- und Transportschiffe fehlen den Marines in ausreichnder Zahl. Sie haben wohl 30 amphibische Einsatzschiffe, bräuchten aber 38, um das Einsatzkonzept voll umzusetzen; mehr dazu hier. Die aktuell verfügbaren amphibischen Kampfschiffe sind in den Amphibious Ready Groups gebunden. Perspektivisch wird der Mangel bestehen bleiben. Denn auf Grund von Budgetkürzungen im US-Verteidigungshaushalt wurde der Bau solcher Landungsschiffe zurückgestellt. Die Marines rechnen nicht mit dem Zulauf weitere Schiffeinheiten dieses Typs vor Ende der 2020er Jahre. Nun sollen die Europäer helfen.

Für die „Allied Maritime Basing Initiative“ stehen die Amerikaner mit den fünf europäischen „Trägernationen“ in Kontakt. In Medienberichten genannt werden Großbritannien, Frankreich, Spanien, Italien und die Niederlande. Auf deren Flugzeugträgern und/oder amphibischen Versorgungs- und Kampfschiffen wollen die Marines kleine Einsatzgruppen von 100 bis 150 Mann platzieren, samt Logistikeinheit und drei bis vier „Ospreys“, das  Kipprotor-Wandelflugzeug der Ledernacken. Vor allem deren Einsatz auf den Schiffen der Europäer scheint eine technische Herausforderung zu sein. Zur Zeit testen die Marines, ob die Basing-Initiative als Modell für die neue Einsatzdirektive taugt; unter anderem bei der NATO-Großübung „Trident Juncture“, die gerade angelaufen ist. Davor war eine Einsatzgruppe der Marines auf dem italienischen Flugzeugträger „Cavour“ eingeschifft (Sideinfo: Flagschiff der EUNAVFOR MED Mission im Mittelmeer).

In offiziellen Statements zur Basing-Initiative ist oft von sinnvoller Vertiefung der militärischen Interoperabilität, Bündnis-Solidarität und Abschreckungseffekten die Rede; die bisher erschienenen Medienberichte zum Thema zeichnen ein anderes Bild. Für die Marines ist das Basing bei den Europäern eher eine verhasste Krücke, die man wohl oder übel gerade akzeptieren muss, aber schnellstmöglich wieder loswerden möchte. Ein Indiz dafür ist, dass die Amerikaner keine multilaterale Lösung für das Basing anstreben, sondern auf „á la Carte“-Lösungen setzen wollen, mittels bilateraler Verträge.

Wie die Europäer vom Basing profitieren würden, ist nicht ganz klar (freue mich hierzu über Anmerkungen) – vielleicht durch großzügige Subsidien der Amerikaner. Bekanntlich gilt, „Träger frisst Flotte“; der Unterhalt von Trägerkapazitäten ist extrem kostspielig. Generell stellt sich die zudem Frage, wie das Basing rechtlich zu organisieren wäre. Ein Freifahrschein für Einsätze der US-Marines von europäischen Schiffen, bedeutet für Regierungen, die sich darauf einlassen, drohender Ärger an der Heimatfront. Auf der anderen Seite ist es kaum vorstellbar, dass sich die US-Regierung auf Veto-Regelungen einlässt, wenn es darum geht, US-Interessen militärisch durchzusetzen..

Zum Hintergrund:

Die US-Streitkräfte (Army, Navy, Airforce) organisieren ihre Truppen für Europa und Afrika in zwei separaten Kommandos (EUCOM, AFRICOM) – nicht so die Marines. Als eigenständige Teilstreitkraft haben sie ein überlappendes Kommando aufgestellt, das Command of Marine Forces in Europe & Africa. Dessen Hauptquartier befindet sich in Stuttgart / Deutschland (zurzeit der Zwei-Sterne-General Niel Nelson). Speziell für den neuen Einsatzplan stellte dieses Marines-Kommando 2013 einen Eingreifverband auf. Dieser hat, mit inzwischen 3000 Mann, fast Brigadestärke. Verteilt sind dessen Einheiten auf Stützpunkte in Spanien, Italien und Rumänien. Hauptort ist der spanische Militärflughafen Morón.

Apropos: Zur „Allied Maritime Basing Initiative“ gibt es einen ausführlichen Artikel in der Ausgabe 10/2015 der Zeitschrift „Marineforum“ – leider noch nicht verlinkbar.